Hamburg, 22.12.2014 Mit nur sechs Frauen unter den insgesamt 28 festen Autoren startete das Onlinemagazin „Krautreporter“ Ende Oktober – und erntete dafür harsche Kritik. Gut zwei Monate später erklärte Krautreporter-Chefredakteur Alexander von Streit den Grund für diese Unausgewogenheit gegenüber der Journalisteninitiative ProQuote. „Tatsächlich haben wir uns am Anfang über das Geschlechterverhältnis nicht sehr viele Gedanken gemacht“, sagte von Streit im Interview. Zwar habe man den Frauenmangel schon im Vorfeld als Problem erkannt, aber nicht aktiv genug dagegen gesteuert. „Das lag auch daran, dass wir wahnsinnig viele Themen hatten, die wir zu bewältigen hatten.“

AS

Alexander von Streit

Das Geschlechterverhältnis sei bei der Entstehung von Krautreporter „ein wichtiges, aber nicht das einzige Thema“ gewesen. Deswegen würde er es auch nicht als unprofessionell bezeichnen, wenn man sich die „Gender-Brille“ nicht aufgesetzt habe, sondern als „ein Versäumnis“. Künftig werde er versuchen zu hinterfragen, warum er sich für oder gegen jemanden entscheide. Dass er das im Vorfeld offenbar nicht getan hatte, liegt ihm zufolge an den männerdominierten Netzwerken der Gründer. „Das verengt bei der Frage ,Wer könnte mit mir zusammenarbeiten?‘ etwas den Blick“, beschrieb es von Streit.

ProQuote-Vorstand Kathrin Buchner wundert sich, dass die Erfinder von „Krautreporter“ die altbekannte Tatsache, dass „Gleiche Gleiche“ einstellen – also Männer Männer – nicht im Blick hatten. „Die Zusammensetzung der Autorenschaft und der Führungsriege ist für eine Neugründung, die den Journalismus quasi revolutionieren wollte, in jeder Hinsicht zu homogen“, findet Buchner. „Unsere Gesellschaft besteht zur Hälfte aus Frauen und Männern, und viele von ihnen haben ausländische Wurzeln. Statt aus dieser Vielfalt zu schöpfen, sehen wir bei den Autoren weiße, mittelalte Männer – als Ergebnis der typischen Buddy-Beförderung.“

Die Erweiterung des Krautreporter-Kernteams aus Chefredakteur von Streit, Herausgeber Sebastian Esser, Geschäftsführer Philipp Schwörbel und Community-Redakteur Frederik Fischer um drei Frauen, nämlich Vera Fröhlich als Textchefin, Jessica Weber, Community-Redakteurin, und Thanh Nguyen als Assistenz Geschäftsführung, überzeugt „ProQuote Medien“ nicht. „Wir fordern keine Quote bei Leserbriefredakteuren oder Assistenten, sondern bei journalistischen Entscheidern“, so Kathrin Buchner. „Dieses Land braucht mehr Blattmacherinnen, um medial Schritt zu halten.“