Hamburg, 25. Mai Außergewöhnlich viele Auslandsreporterinnen sind im Krisengebiet Ukraine unterwegs –  ob für ARD, Süddeutsche, Frankfurter Allgemeine, SPIEGEL online, Welt, ZEIT, stern oder die Deutsche Welle. Für das ZDF sind sogar vier Reporterinnen im Einsatz. Doch das ist nicht der Normalfall. ProQuote hat sie gefragt, warum Frauen auf Auslandsposten noch immer in der Minderheit sind und was sie von der jüngst von NDR-Hörfunkdirektor Joachim Knuth geäußerten Erklärung halten, Frauen hielten viele Berichtsgebiete für zu gefährlich.

„Es ist ein Vorteil, Frau zu sein“, antwortet ARD-Frontfrau Golineh Atai, die kürzlich für ihre ausgewogene Berichterstattung mit dem Hanns-Joachim Friedrich-Preis ausgezeichnet wurde. Von Frauen gehe weniger ein „Gefühl der Bedrohung“ aus. Polizisten, Soldaten, Milizen und Bürger reagierten offener auf Journalistinnen. Reine Frauen-Teams, folgert Atai, hätten „positive Auswirkungen auf die Zugänglichkeit der Interviewpartner und auf unsere Arbeitssicherheit“. Ein Vorfall, den die „Welt“-Korrespondentin Julia Smirnova erlebt hat, illustriert dies: An einem Checkpoint in Slawanjsk wurde ihr Auto von pro-russischen Milizen angehalten. „Mein Fahrer wurde verprügelt“, berichtet Smirnova. „Mir sagte ein Rebelle: Wenn du nicht eine Frau wärst, würde ich dir auch in die Fresse hauen.“

Auch Alice Bota von der „Zeit“ wähnt sich als Frau sicherer in der Ukraine: „In Donezk sind Mitarbeiter des Roten Kreuzes entführt worden – man nahm nur die Männer mit, die Frauen nicht.“ Die SZ-Korrespondentin Cathrin Kahlweit warnt allerdings, es könne in der Ost-Ukraine auch für Frauen lebensgefährlich werden – besonders für Kolleginnen von der schreibenden Zunft, die sich nicht in Teams bewegten. „Die Gefahr sexueller Belästigung in einer aufgeheizten Atmosphäre ist deutlich größer als für Männer.“ Schlaf und Hygiene könnten zum Problem werden. „Mein Kollege“, so Kahlweit, „musste wegen eines Mangels an Hotelplätzen bei Krimtataren auf dem Boden schlafen. Das hätte für mich als Frau in den Augen der Gastgeber ein Tabu sein können.“

Die Diskussion, ob Frauen Auslandskorrespondentinnen sein können, hält Anne Gellinek, Leiterin des ZDF-Studio Moskau, für gestrig. „Ein Kriegsgebiet ist für Frauen genauso gefährlich wie für Männer.“ Dass in der Ukraine-Krise so viele Frauen unterwegs seien, erklärt sich Gellinek damit, dass es „extrem wichtig“ sei, die Sprache zu sprechen, „und dafür interessieren sich Frauen offenbar mehr als Männer“. Ihre Kollegin Britta Hilpert hält es für „unerlässlich“, mehr Frauen gerade in jenen Ländern einzusetzen, in denen die Zugänge zu Informationen vom Geschlecht abhingen. „Die Menschenrechtssituation von Frauen bleibt oft unterbelichtet“, kritisiert Hilpert, „da es als schwierig gilt, weibliche Korrespondenten in jenen Ländern einzusetzen.“

Die ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf, die neben der Ukraine auch aus Gebieten wie Afghanistan oder Ägypten berichtet hat, hält das Argument für vorgeschoben. „Vor allem in traditionellen Ländern haben es Frauen oft leichter. Die Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten darf keine Männerdomäne sein.“ Für Auslandskorrespondenten sollte generell eine 50 Prozent Quote gelten, findet die Journalistin.