Christian Krug (stern): “Eine Führungsposition muss zum Privatleben passen”

Hierarchisches Denken ist altmodisch, Frauen wollen gar nicht Ressortleiterinnen werden – das sagt der Chefredakteur des stern, Christian Krug, im Interview mit ProQuote Medien e.V. Der Verein ProQuote Medien vergibt jährlich seine „Preise mit Gefühl“ an herausragende Persönlichkeiten der Medienbranche. Bisherige Preisträger sind u.a. Gabor Steingart (Handelsblatt), Peter Frey (ZDF) oder Giovanni di Lorenzo (Die Zeit). Da einer der aktuellen Preisträger, Christian Krug (stern), bei der Preisverleihung verhindert war, kamen die ehemaligen Vorstände Birte Siedenburg und Helene Endres beim stern vorbei. Und nutzten die Gelegenheit für ein Gespräch über Frauen. Im Gepäck: Der vom Künstler Ottmar Hörl gestaltete „Pinguin mit den kalten Füßen“. Der Mutmach-Preis soll den stern-Chefredakteur daran erinnern, bei der Frauenfrage keine kalten Füße zu bekommen. Frauen hätten erkannt: Geschichten zu schreiben macht viel mehr Spaß als Dienste zu schieben. Ist Macht wirklich out? Oder redet sich hier jemand seinen Herrenzirkel schön? ProQuote: Herr Krug, Ihre Vorgänger Andreas Petzold und Thomas Osterkorn versprachen 50 Prozent Frauen in Führung. Gilt das für Sie nicht mehr? Christian Krug: Erstens liegt unser Fokus nicht darauf, Frauen auf Führungsposten zu verhindern. Wenn jemand auf eine Stelle passt, und es ist eine Frau, freut uns das. Und zweitens: Beim stern streben längst nicht alle Mitarbeiter Positionen als Ressortleiter an. Ach, nein? Wenn ich Absolventen der Nannen-Schule frage: “Wo willst Du in fünf Jahren sein?”, dann sagt keiner: “In der Ressortleitung.” Die antworten: “In Paris, in London, ich will schreiben.” Statt nach hierarchischer Position streben die nach beruflichem Ausleben. Macht ist out? Bei uns stehen die Kollegen Schlange für Autoren-Posten, das ist für viele das Beste, was du hier haben kannst: Nur der Chefredaktion verantwortlich suchst du im Prinzip aus, was du machen willst. Eine Führungsposition hingegen muss zum Privatleben passen. Letzteres leidet darunter. Und das ist hier ein rein weibliches Phänomen? Das ist ein Generationen-Ding: Junge Väter denken auch so. Heute ist Freizeit ein sozialer Status. Ich habe viele Kollegen, die lieber die Arbeitszeit reduzieren, als eine Beförderung anzustreben – das gilt für Männer wie Frauen. Bei älteren Kollegen sind die Familienstrukturen noch andere. Beim stern sind lediglich 26 Prozent der journalistischen Führungskräfte weiblich. Nach unserer Zählung sind es deutlich mehr. Wir zählen nur diejenigen, die journalistisch entscheiden – und ein Chefredakteur wiegt bei uns schwerer als ein stellvertretender Ressortleiter. Die erste Frau im stern-Impressum kommt erst auf Platz sechs, die Artdirektorin. Die Textverantwortlichen in der Chefredaktion sind alle männlich. Es gibt im ganzen Heft eine Ressortleiterin und eine stellvertretende Ressortleiterin. Das ist sehr altmodisch hierarchisch gedacht. Wir haben in der Redaktion viele prägende Kolleginnen. Die Qualität des stern wäre eine andere, hätten wir keine Frauen in entscheidenden Positionen. Reporterinnen und Redakteurinnen prägen doch den stern journalistisch. Ohne ihre Artikel wäre der stern noch immer eine rein männliche Zeitschrift und wir hätten viele Leser verloren. Der optische Sexismus war früher auch viel stärker. Wenn Frauen so gut tun – also her mit einer Quote? Es kann nicht meine Aufgabe sein, in Zeiten einer so großen medialen Umwälzung eine Quote im Kopf zu haben. Entweder ist jemand geeignet und wir haben dieselben Vorstellungen, oder nicht. Wenn Frauen in Führungspositionen Erfolg haben, dann hilft das der Bewegung am meisten. Man darf nicht unterschätzen: Wenn eine Frau wie Angela Merkel zehn Jahre dieses Land führt, dann kann auch eine Frau Siemens oder Thyssen Krupp leiten. Aber noch immer nicht den stern. Warum haben Sie denn keine Stellvertreterin ins Boot geholt? Es hat sich schlicht keine angeboten, aber das kann ja noch werden. Es gibt ausgezeichnete Frauen hier, die aber vielleicht gar nicht so scharf auf die Karriere in der Matrix sind. Wir behindern Frauen nicht und kalte Füße habe ich schon gar nicht. Apropos kalte Füße: Was wird aus dem Pinguin? Dem bau ich ein Podest. Und werde ihm warme Füße machen, bis sie stern-rot sind.

Querverweis: Mit dem Begriff Frauen* beziehen wir uns auf alle Personen, die sich als Frauen identifizieren oder von der Gesellschaft als Frauen gelesen werden, einschließlich Transfrauen, Intersexuellen, Nonbinary Personen und allen, die sich mit dem weiblichen Spektrum identifizieren, um die Vielfalt und Komplexität von Geschlechtsidentitäten anzuerkennen und einzuschließen.

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