Wir wollen die Hälfte der Macht! Unter dem Motto „Journalistinnen in der Krise“ haben sich am Donnerstagabend mehr als 70 Journalist*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu einer digitalen Konferenz getroffen, um über Gleichberechtigung im Journalismus während der Corona-Krise zu diskutieren. Als Basis diente ein offener Appell mit acht Forderungen, der sich an Verlage, Medienhäuser und Sender richtet. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen, Equal Pay und eine Frauenquote sind nur einige der konkreten Maßnahmen, die gefordert werden. In einer beispiellosen Gemeinschaftsaktion wurde der Appell von den Vereinen ProQuote Medien (D), Presseclub Concordia (AT), Frauennetzwerk Medien (AT) und Medienfrauen Schweiz (CH) unterzeichnet.
Die Konferenz stand im Zeichen der internationalen Solidarität: Impulsvorträge aus den drei Ländern verdeutlichten, dass Journalistinnen überall mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. „Viele der Maßnahmen, die man innerhalb einer Redaktion zur Gleichstellung treffen kann, sind eine Frage des Wollens, nicht des Könnens,“ beschrieb die Schweizer Journalistin Marguerite Meyer die Situation. Die österreichische Journalistin Alexandra Wachter appellierte an den Kampfgeist der Kolleginnen: „So lange Männer die Spielregeln gestalten, werden wir immer im Nachteil sein, das gilt für alle Frauen in allen Lebenswelten. Deshalb müssen wir Gleichstellung einfordern!“ ProQuote Medien-Gründungsmitglied und Moderatorin Lisa Ortgies aus Hamburg erinnerte: „ProQuote hat als Guerilla-Truppe angefangen – und diesen Spirit müssen wir für die Krise wieder beleben.“
Die Corona-Krise wirft Frauen weltweit zurück in Sachen Gleichberechtigung – auch in den Medienberufen. Während Männer Karriere machen, übernehmen Frauen oftmals zu Hause die Care-Arbeit. ProQuote Medien sammelte dazu in einer nicht-repräsentativen Umfrage unter Journalistinnen Stimmen. 137 Frauen aus allen Medienbranchen nahmen teil, die Ergebnisse sind teils erschreckend: Über die Hälfte der Frauen gibt an, dass sie Aufträge verloren hat und Einkommensverluste verzeichnet. Ein Fünftel verdient nur noch halb so viel wie vor der Krise. Ein Drittel kann nicht mehr oder nur noch „mit Mühe“ von seinen Einnahmen leben. Elf Frauen verdienen nach eigenen Angaben gar nichts mehr.
Besonders schwer hatten es Mütter, was nicht überrascht. Es sei „ das reine Chaos“ gewesen, „homeschooling und homekita“ neben der Arbeit zu organisieren, schreibt eine Teilnehmerin – und ist damit nicht allein. Die meisten Frauen geben an, „heillos überlastet“ gewesen zu sein, einige fühlten sich nun „psychisch und physisch am Ende“. Auch weil sie in den Redaktionen ins Hintertreffen gerieten: Sie sei von „interessanten Projekten“ abgezogen worden, schildert eine Journalistin, weil sie ihrem Arbeitgeber „nicht flexibel“ genug gewesen sei. Eine andere musste Aufträge absagen, weil sie neben der Kinderbetreuung ihre Arbeit nicht mehr schaffte. Nur fünf Frauen gaben an, dass ihr Mann sich vor allem um die Kinder kümmerte – und ihnen so den Rücken frei hielt.
Was das konkret für den Journalismus und für die Gesellschaft bedeutet, zeigte die freie Journalistin und Kolumnistin Teresa Bücker auf, die für ein Interview zugeschaltet war. „Wenn Frauen beruflich zurückstecken etwa wegen Kinderbetreuung, fallen auch die Themen, die sie behandeln, in den Redaktionen weg. Das hat wiederum Einfluss darauf, über was wir gesellschaftlich sprechen – es fehlt der Druck auf die Politik. Dabei ist es wichtig, Themen zu setzen, wie zum Beispiel gerade jetzt den Mangel an Konzepten für Kita- und Schul-Öffnungen. Wir könnten im Journalismus um Jahre zurückgeworfen werden.“
Mit dem gemeinsamen Appell kämpfen die Vereine in Deutschland, Österreich und der Schweiz für gerechte Bedingungen von Journalistinnen und Medienfrauen. Und sie wollen langfristig vernetzt bleiben – für einen gleichberechtigten und diverseren Journalismus der Zukunft.