Preisrede von Annette Bruhns für den Sonderpreis für ProQuote bei „Journalisten des Jahres“

Die Vereinsvorsitzende Annette Bruhns nutzte gestern Abend im Historischen Museum in Berlin die Preisverleihung der „Journalisten des Jahres 2012″, bei der ProQuote mit dem Sonderpreis ausgezeichnet wurde, um weitere Mitglieder zu gewinnen. Mit Erfolg: Charlotte Roche tritt dem Verein bei –  und fing gleich an, mit zu agitieren, indem sie ProQuote-Mitgliedsanträge unter den Anwesenden verteilte – überwiegend männliche Kollegen. Danke, Annette Milz, Chefredakteurin des preisverleihenden Medium Magazins! Übrigens: Nächstes Jahr soll ProQuote mit in der Jury sitzen.

Die Laudatio auf ProQuote hielt Maria von Welser.  Hier die Dankesrede von Annette Bruhns:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Hand aufs Herz, hätten Sie gedacht, dass Sexismus heute noch ein Thema ist? Dies war der Satz, mit dem ich meine Rede eigentlich beginnen wollte. Aber jetzt muss ich konstatieren: Manche hier im Saal haben es offenbar immer noch nicht begriffen*. Dabei hätte wohl jede Frau in diesem Land etwas zu erzählen – über sich, über eine Freundin, eine Kollegin. Aber: Wir Medien haben ihr nicht zugehört.

Deshalb ist es gut, dass Sie mit dem Preis an ProQuote eine Bewegung auszeichnen, deren Ziel es ist, dass mehr Frauen entscheiden, was Thema ist in diesem Land. Heute nehmen wir vom Vorstand aus den Preis entgegen, meine Stellvertreterinnen Sabine Kartte, Textchefin beim stern, und Katrin Müller-Walde, Moderatorin und Autorin beim ZDF, Dagmar Engel, Chefredakteurin bei der Deutschen Welle. Aber WIR allein sind nicht ProQuote. ProQuote, das sind mehr als 4000 Journalistinnen und Journalisten, aber auch Leser und Leserinnen, Zuschauer und Zuschauerinnen in Deutschland. Sie alle wollen, dass mehr Frauen künftig Medien an der Spitze mit gestalten. Dass Zeitungen heute zu 98 Prozent an der Spitze von Männern verantwortet werden, das ist schlicht anachronistisch. Dass die Kanzlerin in zwei Jahren von 111 Männern zum Interview gebeten wurde.  aber nur von sechs Frauen, das zeigt ein gefährliches Ungleichgewicht.

Deshalb ist es gut, dass Sie ProQuote auszeichnen, gut nicht nur für die vielen Kolleginnen, die nachts und am Wochenende, in Mittagspausen und daheim, oft nebenbei Babys stillend, diese Initiative möglich gemacht haben. Ehrenamtlich und unbezahlt. Gut auch für die Sympathisanten von ProQuote, die keine Journalisten sind, Dokumentarinnen, die die Zahlen, von denen ProQuote lebt, zählen, Fotografen, die die Bilder von uns schießen, Webdesigner, die unsere Homepage aufgebaut, Layouter, die unsere Quoten-taz am 17. November gestaltet haben. Gut auch für die Tageszeitung, das erste deutsche Medium mit Quote, das uns tatkräftig unterstützt, danke an Ines Pohl! Die Macherinnen und Macher von der taz wissen längst: Es geht. Ihr Preis ist aber auch Rückenwind für neue Quotenpioniere wie die ZEIT, deren Chefredaktion ProQuote geantwortet hat: Die Wette gilt. Spätestens 2017 sollen dort überall, auch in den Ressorts Politik und Wirtschaft, Frauen in der Leitung sein.

 

Liebes Medium Magazin, liebe Annette Milz, danke für den Preis. Wir hoffen, dass er uns dem Vereinsziel näher bringt – der Selbstauflösung in 2017, wenn dann endlich alle Redaktionen 30 Prozent Frauen auf allen Führungsebenen haben. Ihr könnt noch mehr dafür tun. Ihr könnt uns nicht nur mit Ehre helfen, sondern auch mit Materiellem, mit Euren Spenden, mit Euren Mitgliedschaften. Vor allem aber dieser Appell: Besetzt Eure Jury künftig paritätisch. Preise wie diese machen Karrieren. Euer – männerlastiges – Gremium  hat viele tolle männliche Preisträger gefunden – 29 – und viel weniger tolle weibliche: neun. Wir sind sicher: Da geht noch mehr. Es hilft, wenn Juroren und Jurorinnen gemeinsam suchen. Im übrigen wissen wir – und das soll jetzt weder eine Schwesterle- noch eine Brüderle-Bemerkung sein: Mehr Frauen, mehr Spaß!

* Der Satz war eine Replik auf einen Satz von Wolf Schneider, der kurz zuvor in seiner Preisrede gesagt hatte: „Wer noch weniger Sexismus an den Tag legte als Rainer Brüderle und wenn der Zustand der Dauer-Erotisierung so schlimm wäre, wie die stern-Redakteurin ihn beklagte, dann wäre die Menschheit ausgestorben vor drei Millionen Jahren.“ Allerdings hatte niemand im Saal geklatscht über diesen angeblich „klaren Satz“ (Schneider), mit dem der für sein Lebenswerk ausgezeichnete Preisträger, „frische Luft in eine verquaste, verquere Debatte“ blasen wolle.

 

 

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