Die Journalisteninitiative ProQuote beobachtet mit Sorge die Entwicklungen beim SPIEGEL. Grund sind die erwarteten personellen Konsequenzen aus der Verschmelzung der Leitungen von Online- und Printressorts im Konzept „Spiegel 3.0“. „Da die Chefs so gut wie aller in Frage kommender Ressorts bei Online Männer sind“, sagte ProQuote-Vorstandsfrau Kathrin Buchner, „würde das künftige Online-Print-Führungsteam nicht einmal mehr zu einem Viertel aus Frauen bestehen.“

Derzeit sind Frauen in den Ressortleitungen beim SPIEGEL immerhin zu fast einem Drittel vertreten – ein Trend zu mehr Chefinnen auf der zweiten Ebene, den auch Chefredakteur Wolfgang Büchner vorangetrieben hat. „ProQuote hatte als nächstes den Einzug einer Frau in die Chefredaktion erwartet“, so Buchner. „Der SPIEGEL könnte damit ein Signal in die gesamte Branche senden – auch bei stern, Focus, SZ oder FAZ fehlen Blattmacherinnen noch eklatant.“

Tatsächlich aber bilden laut Impressum des SPIEGEL nach Büchners Amtsantritt mehr Männer denn je die Spitze der Redaktion: Mit dem (verstorbenen) Herausgeber Rudolf Augstein stehen dort mittlerweile acht Männernamen (früher waren es sechs) – demnächst, wenn Social Media-Chef Torsten Beeck anfängt, dürften es sogar neun sein. ProQuote-Vorstand Buchner: „Der SPIEGEL bläht sich damit auch optisch zu einem der schnellst wachsenden Herrenclubs der Republik auf. Eine bedenkliche Entwicklung – diametral zum Zeitgeist.“

Auch SPIEGEL online erweist sich aus der Sicht des Gleichstellungsvereins als „nicht sehr sensibel für die Erwartungen moderner Leserinnen und Leser“. Die neu eingeführte Leiste „Redakteure“ zeigt 20 männliche Kollegen, aber nur fünf weibliche. „Das ist sogar deutlich schlechter als die wahren Verhältnisse“, wundert sich Buchner. Tatsächlich arbeiten in der SPIEGEL online-Redaktion zu einem Drittel Frauen.

„Im Februar noch bekannte Wolfgang Büchner gegenüber ProQuote, er fände jede andere Verteilung von Führungsverantwortung zwischen den Geschlechtern als 50 zu 50 als unnatürlich“, erinnerte die Vorstandsfrau von ProQuote Medien. „Wir sehen das genauso.“