„Der Stillstand bei den Regionalmedien hat uns so erschreckt, dass wir dachten, wir müssen eine qualitative Studie machen. Wir wollten verstehen, warum da so eine Starre herrscht“, sagte Studienleiterin Anna von Garmissen zu Beginn ihrer Präsentation.
Verkrustete Strukturen, Männerbünde oder Unvereinbarkeit von Privat- und Berufsleben, dazu sexistische Erfahrungen sowohl in den Redaktionen wie bei Lokalterminen. Das sind Erfahrungen, die Journalistinnen aus Regionalzeitungen in der neuen Studie von ProQuote Medien schildern, die heute der Öffentlichkeit via Livestream vorgestellt wurde.
In der anschließenden, teils digital teils vor Ort in einem Hamburger Studio geführten und von der NDR-Moderatorin Inka Schneider geleiteten Diskussion, bestätigten alle Chefredakteur*innen die Ergebnisse der Studie: wenngleich sie auch alle darauf bestanden, dass es in ihren jeweiligen Redaktionen schon viel besser aussehe, da sie schon eine ganze Weile alles dafür täten, um noch mehr Frauen in Führung zu bringen. Moritz Döbler, Chefredakteur der Rheinischen Post, bedankte sich deshalb auch für „den Druck“, den ProQuote ausübt, denn er helfe dabei, die Redaktion und das Blatt „der Lebenswirklichkeit der Leser*innen“ auch im Geschlechterverhältnis anzupassen.
Nina Könemann, stellvertretende Chefredakteurin des Mindener Tageblattes hob hervor, dass sie inzwischen „alle möglichen Arbeitszeitmodelle“ im Angebot hätten, die es Männern wie Frauen ermöglichten Familie und Beruf zu vereinbaren. Auch Michael Garthe, Chefredakteur der Rheinpfalz, berichtete, dass er sich sicher sei, dass sie in den nächsten Jahren „große Schritte“ vorankommen“ und „bis 2025 die 40 Prozent erreichen“ werden. Doch teils scheiterten solche Bemühungen auch daran, dass es „keine Bewerbungen“ von Frauen gebe. Ein Satz, den die ProQuote-Vorsitzende Edith Heitkämper „nicht mehr hören kann“: Die Ausrede, es habe sich keine Frau gefunden, „gilt nicht mehr“, so Heitkämper: „Wir müssen uns fragen: Wie können wir die Stellen verändern, damit die Führung diverser und mit mehr Frauen besetzt wird?“
Eine Vorgehensweise, die in anderen Häusern offenbar schon bekannt ist. Swantje Dake, Chefredakteurin Digitales von der „Stuttgarter Zeitung“ erklärte, dass sie inzwischen die Arbeitsplätze den Bewerber*innen „ganz individuell anpassen“ – und dabei auch nicht mehr nur auf das Geschlecht achten, sondern auch in anderen Aspekten für Diversität sorgten. Ein weiterer Schritt dahin, die Redaktionen der Lebenswirklichkeit der Menschen anzupassen.
Über die Studie
„Männerdomäne Regionalpresse: Wo bleiben die Führungsfrauen?“: Der Frauenmachtanteil in den Chefredaktionen der Lokal- und Regionalzeitungen liegt bei rund zehn Prozent – und damit niedriger als in jeder anderen Mediengattung. Wieso schaffen es gerade in der Regionalpresse nur so wenige Frauen an die Spitze? ProQuote Medien hat 16 Interviews mit Regionalzeitungsjournalistinn
- Moderne Strukturen: Wo noch nicht geschehen sollten die Redaktionen schnellstmöglich in strukturierte Personalentwicklung einsteigen.
- Frauenförderung: Gleichstellung in den Redaktionsspitzen sollte als Unternehmensziel verankert werden.
- Redaktionskultur: Moderne Führungskultur setzt auf flache Hierarchien, Teamfähigkeit und gegenseitigen Respekt – unabhängig vom Geschlecht.
- Anlaufstellen für Betroffene von Sexismus: Hier muss eine Nulltoleranzschwelle eingeführt werden. Journalistinnen sollten ausgewiesene Ansprechpersonen haben.
- Flexibles Arbeiten: Zeitungsverlage sollten aus den jüngsten Pandemieerfahrungen lernen und mehr Homeoffice sowie zeitsouveränes Arbeiten ermöglichen – auch in Führungspositionen.
- Neue Arbeitsmodelle: Führungspositionen jenseits der typischen Vollzeitstelle müssen geschaffen werden – etwa in Form von geteilten Ressortleitungen, Doppelspitzen oder 80-Prozent-Stellen.
- Kinderbetreuung: Verlage können Zeichen setzen, indem sie beispielsweise Betriebskindergärten einrichten, die die ungewöhnlichen Arbeitszeiten in einer Lokalredaktion abdecken.