Bei ZEIT, Berliner Zeitung, taz, RBB stimmt die Quote / SZ und FAZ männerdominiert

Hamburg, 22.02.2012. Die Journalistenintiative “ProQuote Medien” zieht ein Jahr nach ihrer spektakulären Brief-Aktion eine gemischte Bilanz. “Wir haben einerseits greifbare Erfolge zu verbuchen. Überall sind mehr Frauen aufgerückt, auch in die Chefredaktionen – etwa bei der Berliner Zeitung, beim Wirtschaftsmagazin ‘Impulse’ oder, gleich zu dritt, bei ‘BILD'”, sagt ProQuote-Vorsitzende Annette Bruhns, Redakteurin beim SPIEGEL. “Andererseits versuchen immer noch einige Chefredakteure, unser Anliegen einfach auszusitzen.”

Am 26. Februar 2012 hatten 350 deutsche Journalistinnen aus allen Medien, darunter namhafte wie Anne Will, Antonia Rados oder Iris Radisch, die Chefredakteure, Intendanten und Herausgeber in einem offenen Brief aufgefordert, bis 2017 mindestens 30 Prozent Frauen auf jeder redaktionellen Hierarchieebene zu installieren. Seitdem haben sich mehr als 4.000 Kollegen dem Aufruf angeschlossen, und ein Viertel der Adressaten hat auf den Brief geantwortet. Die mehr als 50 Antworten – von Regionalzeitungen über den Springer-Verlag bis hin zum ZDF und anderen TV-Anstalten – hat die Initiative auf ihrer Website veröffentlicht: www.pro-quote.de

Unter den beharrlichen Schweigern sind die Chefredakteure wichtiger überregionaler Zeitungen, namentlich der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” und der “Süddeutschen Zeitung”. Beide Blätter haben genau zwei Ressortleiterinnen, und damit einen Frauenführungsanteil von jeweils neun Prozent. ProQuote hat deren Chefredaktionen mehrfach zum Dialog aufgefordert – ohne Resonanz. Bruhns: “Wir konstatieren: Die kritische Haltung von SZ und FAZ wird unkritisch, wenn es um Chancengleichheit in den eigenen Häusern geht.”

Bei der ZEIT stieß ProQuote dagegen eine Tür auf. “Drei Tage nach Erhalt des Briefs versprach Chefredakteur Giovanni di Lorenzo auf der Titelseite, er werde unsere Forderung in die Tat umsetzen”, sagt Bruhns. Inzwischen habe die Wochenzeitung 30,4 Prozent Frauen in Führung und mit Sabine Rückert eine stellvertretende Chefredakteurin. Bei der Berliner Zeitung hat seit Juli mit Brigitte Fehrle eine Frau sogar den Hut auf – in einer Redaktion mit 40 Prozent weiblicher Führungskraft. “Ähnliches gilt für den Sender Radio Berlin-Brandenburg, der eine Intendantin und fast 40 Prozent Frauen in Führung hat”, sagte Bruhns. Auch die tageszeitung beweise seit vielen Jahren, dass Blattmachen keine “Männersache” sei.

Aber auch Leitmedien, deren Chefs eine Quote ablehnen, haben im letzten Jahr ihren Frauenführungsanteil gesteigert: In der SPIEGEL-Redaktion leiten jetzt immerhin sechs Frauen Textressorts, fünf davon stellvertretend. Vor einem Jahr gab es nur drei Vize-Ressortleiterinnen. Die Digitaltochter SPIEGEL online hat den Chefinnenanteil auf 27,6 Prozent gesteigert.
“Für ProQuote zählen dabei nicht allein Durchschnittswerte”, erläuterte Bruhns. “Wir fragen immer, wie viele Frauen ganz oben mit entscheiden.” Beim Hamburger Abendblatt etwa liegt der Frauenanteil auf Ressortleiterebene bei 42 Prozent, in der achtköpfigen Chefredaktion dagegen bei null. Chefredakteur Lars Haider wolle sich dem Problem stellen. “Bis 2017 bleibt jetzt die Aufgabe, das Ziel durchgehend auf möglichst allen Hierarchieebenen zu schaffen”, schrieb Haider an ProQuote.

“Wir haben die Quote zu einem Dauerbrenner in den Redaktionen gemacht. Das strahlt auch in andere männerdominierte Branchen aus, über die wir Medien schließlich berichten”, so Bruhns. Wenn die Redaktionen keine Quoten einführten, hinkten sie auch der Politik immer weiter hinterher. Fast alle Parteien sind längst quotiert und haben mächtige Frauen.
Wie krass die Schere zwischen Politik und “Vierter Gewalt” aufgeht, zeigt eine von ProQuote erhobene Statistik: In dieser Legislaturperiode ist die Bundeskanzlerin von 206 Männern, aber nur von 21 Frauen zum Interview gebeten worden. “Je höher ein Politiker im Rang, desto höher auch der Rang des ihn interviewenden Journalisten”, erklärte Bruhns. ProQuote engagiert sich auch dafür, dass bis 2017 mindestens 30 Prozent aller Kanzler-Interviewer Frauen sind.

Grafiken
Das Mann-Frau-Verhältnis an der Spitze von 16 wichtigen deutschen Redaktionen, aufbereitet in Grafiken, finden Sie hier. Eine druckoptimierte Version der Grafiken können Sie hier herunterladen.

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Über ProQuote
ProQuote Medien engagiert sich für eine Frauenquote in den Medien. Bis 2017 sollen mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den Redaktionen mit Frauen besetzt werden – und zwar auf allen Hierarchiestufen. ProQuote hat heute bereits rund 4.500 Unterstützer, darunter Journalistinnen und Journalisten aus allen Medien. Am 17. November 2012 gestaltete ProQuote eine Ausgabe der tageszeitung, die “Quoten-taz”. Ende Januar 2013 wurde ProQuote mit dem Preis des Medium Magazins “Journalistinnen des Jahres 2012” ausgezeichnet.

 

Querverweis: Mit dem Begriff Frauen* beziehen wir uns auf alle Personen, die sich als Frauen identifizieren oder von der Gesellschaft als Frauen gelesen werden, einschließlich Transfrauen, Intersexuellen, Nonbinary Personen und allen, die sich mit dem weiblichen Spektrum identifizieren, um die Vielfalt und Komplexität von Geschlechtsidentitäten anzuerkennen und einzuschließen.

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