Liebe Kolleginnen,
ich soll unterschreiben: nein. Ich bleibe dabei, dass ich Taten wichtiger finde als die wohlfeilen Voten jener (Männer), die ohnehin nicht (mehr) über die Besetzung von Führungspositionen entscheiden können. Rentner können gut für 50-Prozent-Quoten votieren, wenn sie vergessen, dass sie in ihrem aktiven Berufsleben keine zehn Prozent realisiert haben. Und Reporter, Korrespondenten, Autoren können sowieso alles fordern. Sie haben ja nichts mit konkreten Entscheidungen zu tun.
Nehmen Sie als mein Votum pro oder contra Frauenquote ganz einfach und lieber die Fakten: Bei GEO und bei den GEO Specials sind auf jenen „sämtlichen Hierarchieebenen“, nach denen Sie fragten, die Frauen Folgendes: Redaktionsleiterin GEO Special, geschäftsführende Redakteurin Text bei GEO, Fotochefin bei GEO und den GEO Specials, Redaktionsleiterin bei GEO.de, Art Directorinnen bei GEO und den GEO Specials (zwei), Chefinnen vom Dienst bei GEO und den GEO Specials (zwei), Chefin der Kartographie bei GEO und den GEO Specials. In den Führungspositionen der beiden genannten Blätter gibt es also außer mir und meinem Stellvertreter sowie dem technischen CvD neun Frauen. Was den Frauenanteil in leitenden Positionen deutlich höher macht, als er in der Gesamtredaktion ist. Und ich kann Ihnen allenfalls versprechen, dass ich mich, altersbedingt, in fünf Jahren vom Acker machen werde – nicht aber kann ich Ihnen versprechen, dass ich den Frauenanteil in Führungspositionen von gegenwärtig 75 Prozent in den nächsten fünf Jahren auf die gewünschten 30 Prozent reduzieren werde.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es unter anderem um den weiblichen Blick und weibliche Schwerpunktsetzungen bei der Reflektion des Lebens und der Gesellschaft und der Dinge. In diesem Zusammenhang habe ich es als irritierend empfunden zu erfahren, dass Sie eigentlich nur den Bereich Text meinen. Die Foto-Chefin von GEO, die beste der Welt (Mann oder Frau, die wirklich beste Foto-Person der Welt), würde sich herzlich bei Ihnen für diese Chuzpe bedanken! Die Art Directorinnen von GEO und den GEO Specials werden ein bisschen über Ihren erwünschten weiblichen Blick auf die Welt ins Grübeln kommen. Und die Chefinnen vom Dienst von GEO und den GEO Specials werden ein bisschen gekränkt sein zu erfahren, dass jede schlechte Autorin offenbar wichtiger ist als sie es sind.
Sie mögen froh sein über jeden (Mann), der Ihr Quotenbegehren unterstützt. Aber vielleicht wäre es auch für Sie ein noch größeres intellektuelles Vergnügen, ein wenig Widerspruch in den Gewissheiten zu genießen. Zum Beispiel jenen: Männer, die eine Frauen-Quote fordern, verstecken sich. Sie möchten, dass sie zu etwas gezwungen werden, was sie aus freien Stücken zu tun entweder zu wenig Anlass oder zu wenig Mut entwickeln. Oh Staat, oh Gesetz, oh Quote, zwinge uns doch bitte, etwas zu tun, was uns sicher macht! Wir sind’s dann nicht, es kommt „von oben“. Wer in charge ist, etwas für Freuen zu tun, soll es tun – statt sich in Petitionen anzuschmeicheln. Wer es nicht ist, engagiert sich zum Nulltarif.
Aber ist (Frauen-)Karriere überhaupt gut? Wie wir der SZ vom vergangenen Wochenende entnehmen durften, gibt es nach Ansicht einer Autorin (also einer Frau) nur folgende Möglichkeiten zur Karriere für Männer und Frauen: „die vorteilhafte Ehe“, „das Erben-Ticket“, „das Blender-Ticket der Windmacher“, „das Ergebenheitsticket der Kriecher“ sowie die „Seilschaften“. Es gibt also nur hier und da „auch mal ein Fleiß-Ticket“. Wir lernen: Die oben sind sowieso Scheiße. Sowieso fehl am Platze. Und sollte man/frau fehl am Platze sein wollen?
Eine war es offenbar. Die Chefredakteurin von GEOlino. Sie hat das erfolgreichste Kinder-Magazin der deutschen Nachkriegsgeschichte aufgebaut und ungefähr zehn Jahre lang gemanagt. Es gibt mittlerweile einige männlich gemanagte Nachahmer, die weit weniger erfolgreich sind und es bleiben werden. Die Chefredakteurin von GEOlino hat das Blatt aus freien Stücken verlassen, weil sie etwas anderes machen wollte. Was cool ist – und Männer erstaunt hat, die doch glauben, man dürfe sich vom Lametta „Chef“ an der Brust nicht so ohne weiteres trennen. Mag typische Männer-Denke sein. Schlimmer, viel schlimmer, aber finde ich jene Kollegin, die im Zweifelsfall pro Quote ist, die geringschätzig meinte, es habe sich ja ohnehin „nur“ um ein Kinder-Magazin gehandelt. Und solange es arrogante Journalistinnen gibt, die in einem solchen Fall von „nur“ sprechen, fehlt mir das Vertrauen in eine Quote für die andere Hälfte des Himmels.
Alle tollen Frauen in Führungspositionen, alle anderen nicht!
Herzliche Grüße
Peter-Matthias Gaede
Chefredakteur GEO