Liebe Männer,

ach ja, wir sehen es doch ein. Für Euch sind es wirklich harte Zeiten: Frauen, die einfach so Bundeskanzlerin werden. Die es dann auch noch für lange, lange Zeit bleiben. Und die plötzlich sogar wichtiger sein soll als US-Präsident Barack Obama, der einst mächtigste Mann der Welt. Bald wird es eine Frauenquote in Aufsichtsräten geben. Und nun bekommt auch noch Deutschlands größte Boulevard-Zeitung „Bild“ eine Frau an ihre Spitze. Das ist ein Schlag! Tanit Koch folgt auf Kai Diekmann, der freilich weiter an Bord bleibt, als eine Art Übervater der anderen Chefredakteure. Und doch ist es wieder einmal ausgerechnet die „Bild“, ausgerechnet der lange so hübsch als konservativ abgestempelte Springer-Verlag, der damit zum Vorreiter des medialen Frauenmarsches durch die Institutionen wird: Denn auch die “Bild am Sonntag” wird mit Marion Horn an der Spitze schon von einer Frau geführt. Die fand zu der Personalie im eigenen Haus ein treffendes Statement: „Matriarchat!!!!. Heißt ja auch DIE Bild und DIE BamS“, sagte sie Pro Quote. Nun also geballte Frauen-Medienmacht. Was ist da denn los? Will Springer unsere wohlsortierten Schubladen durcheinanderbringen?

Vielleicht ist es der Beginn eines Wettbewerbes: Wer schafft es schneller, Frauen zu fördern und zu befördern? Das sähe Euch ähnlich, liebe Männer. Da können wir was lernen – nämlich Schwächen in Stärken umzumünzen. Und uns wäre das im Ergebnis natürlich recht. Beförderungspotenzial gibt es ja reichlich. Vor allem bei den Tageszeitungen sind noch immer mehr als 90 Prozent der Chefsessel von Männern besetzt, obwohl unter den Volontärinnen so viele kluge, tolle Frauen sind und waren. Die habe es inzwischen zwar manchmal zur Ressortleiterin gebracht, bislang aber noch kaum zur Chefredakteurin. Nicht ohne Stolz verkündete Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner darum auch die Nachricht und begründete die Personalie damit, dass Tanit Koch sich als Bild-Unterhaltungschefin und stellvertretende Chefredakteurin „über viele Jahre hinweg überzeugend für die Aufgabe qualifiziert” habe, um nun „Europas größte Tageszeitung journalistisch zu führen und Akzente zu setzen“. Nix mit Frauenbonus, sondern Lohn für gute Arbeit. Ganz normal.

Springer hat „die Zeichen der Zeit erkannt“, könnte man sagen – denn tatsächlich war es „Zeit“-Chef Giovanni di Lorenzo, der die Frauenquote in den Leitungsfunktionen der deutschen Zeitungshäuser bisher am konsequentesten voran getrieben hat – wir haben übrigens gerne Druck gemacht! Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist schon länger auf einem passablen Weg: mit Dagmar Reim als Intendantin des RBB. Mit Anne Will und Maybrit Illner als führenden Polittalkerinnen. Mit 30 Prozent Frauen auf allen leitenden Positionen des WDR und einer Fernseh-Chefredakteurin Sonia Seymour Mikich. Seit der Ernennung von Tina Hassel zur Leiterin des Hauptstadtstudios ist ein weiterer Chefsessel erobert, auf dem früher stets Männer saßen. Alles Grund zur Freude. Alles aber – seid mal ehrlich, Männer! – keine große Sache, sondern ehrliche Konsequenz aus guter Leistung und dem nötigen Druck, nicht wahr?

Ja ja, liebe Männer, es kommen schwere Zeiten auf Euch zu. Zeiten, die die Frauen schon eine ganze Weile mitmachen – und oft nur leise klagend hingenommen haben. Bei Fragen fragt uns, wir teilen gern unsere Erfahrungen. Aber passt auf, dass ihr den Anschluss nicht verliert. Zaudert nicht so lang – sondern verbündet Euch doch einfach mit uns.
Eure Pro-Quote-Frauen