Die Quote ist mehr als “nur” ein Gleichberechtigungsinstrument. Wirtschaft und Gesellschaft würden immens davon profitieren, wenn mehr Frauen in Chefpositionen kämen. Nora Jakob erklärt am Beispiel der Medien, warum.

Die Zeit ist reif für mehr Frauen in den Chefredaktionen – und zwar sofort. Warum? Ein kleiner Blick auf die Chefsessel der führenden Printmedien macht die Misere deutlich. Das Leitmedium “Der Spiegel” wird (noch?) von einem Mann geführt, der “Stern” wird von einem Mann regiert, der “Focus” hat einen Mann an der Spitze, und auch bei den Tageszeitungen “Frankfurter Allgemeine Zeitung” und “Süddeutsche Zeitung” finden sich im Herausgebergremium bzw. in der Chefredaktion nur – genau – Männer.

Dabei steht doch längst fest: Ganz gleich ob in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder eben auch in den Medien – dort, wo Frauen mitmischen und mitdiskutieren, bringen sie ihre Talente, Potenziale und ihre Kreativität ein. Und genau diese weibliche Vielfalt mit all ihren unterschiedlichen Biografien und Lebensläufen stärkt die Demokratie.

In den meisten Bereichen bleiben Frauen bis heute unsichtbar, agieren hinter den Kulissen – so auch in den Medien. Denn: Wie in vielen anderen von Männern dominierten Branchen fehlt es den Frauen an Macht, Einfluss und oft auch an den entsprechenden Netzwerken.

Noch. Frauen schaffen es oft nicht, eingefahrene und starre Konventionen und Strukturen aufzubrechen, weil Männer am liebsten ihresgleichen befördern. Da weiß Mann schließlich, was Mann hat!

Ein Blick auf die Statistik zeigt: Derzeit werden 95 Prozent aller deutschen Tages- und Wochenzeitungen von Männern geleitet. Die öffentliche Meinung wird vor allem von Männern gesteuert. Im Fernsehen gibt es 82 Prozent Chefredakteure, bei den Online-Leitmedien 78 Prozent. Allein der Hörfunk hat immerhin 46 Prozent Chefredakteurinnen.

Die Veränderungen in diesem Bereich gehen so langsam voran, dass es ohne eine Quote rein rechnerisch bis zum Jahr 2060 dauern würde, ehe wenigstens die Hälfte aller Zeitungen von Frauen geführt würden. Dabei geht es nicht nur um Macht. Es geht auch um Jobs, Geld – und Netzwerke.

"ProQuote"-Mitglied Nora Jakob: "Es geht nicht nur um Macht." (Foto: Caroline Marti)
“ProQuote”-Mitglied Nora Jakob: “Es geht nicht nur um Macht.” (Foto: Caroline Marti)

Frauen sind meist die, die als erstes gehen. Das hat beispielsweise das Magazin „Stern“ Ende September gezeigt. Die Beförderung von Frauen erfolgt dort statt nach oben nach draußen: Gehen mussten eine Infografikerin, eine Bildbearbeiterin, zwei Stabsstellen, eine Redakteurin und das Team, das den Henri-Nannen-Preis ausgerichtet hat: weitere drei Frauen – alle entlassen. Und die Männer? Rückten beim „Stern“ schön nach oben in die Chefredaktion.

Erst am Wochenende ist auch Marion Horn, Chefredakteurin der “Bild am Sonntag” und bislang eine Gegnerin der Quote, in einem Kommentar klar geworden, dass Deutschland ein Steinzeitland ist. „Wir brauchen die Quote doch!“, schrieb sie dort und kritisierte die Union. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer hatte zuvor gefordert, dass die Frauenquote nur kommen sollte, wenn sie mit einem „wirtschaftspolitischen Entlastungsprogramm“ verbunden ist.

Ein schlechter Witz?

Nein, eine politische Dummheit, die vor allem eines zeigt: Auch politisches Spitzenpersonal aus einer Regierungspartei ist geistig nicht unbedingt in der Jetztzeit angekommen. Die Kritik am Herrn Geschäftsführer kam prompt: “Es ist eine Unverschämtheit, wenn Frauen in Führungspositionen als Belastung für die Wirtschaft dargestellt werden”, parierte etwa Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Und Justizminister Heiko Maas entgegnete: “Unternehmen sollten es sich nicht länger leisten, auf die Kompetenz von Frauen in ihren Chefetagen zu verzichten.”

Studien etwa des Beratungsunternehmens McKinsey belegen, dass börsennotierte Unternehmen mit gemischten Führungsteams höhere Renditen, höhere Gewinne und eine bessere Kursentwicklung aufweisen.

Alles klar?

In den Medien kommt noch ein weiterer Aspekt dazu: Dort braucht man ausgeglichenere Geschlechterverhältnisse, um die Gesellschaft so zu zeigen, wie sie wirklich ist. Vielfältig eben. Frauen müssen medial weder beschönigt noch verteufelt dargestellt werden. Sie müssen mit den Unterschieden wahrgenommen und gezeigt werden, mit denen sie uns auch in der Gesellschaft begegnen. Natürlich wissen wir nicht, ob jede Frau in Führungsposition direkt zu einer ‚Verweiblichung‘ des Blattes führt. Das muss auch nicht sein. Es könnte aber sein, dass sie – bedingt durch ihre Biografie beziehungsweise Sozialisation – eine andere Perspektive einnimmt, die dazu führt, dass Punkte gesehen werden, die bislang unbeachtet blieben. Und dass sie in ihrem Tun andere Bewertungen vornimmt als ein Mann.

Bald sollte es möglich sein, dass es keinen Unterschied mehr zwischen einer Berichterstattung von und über Männer und Frauen gibt. Und dass Frauen nicht länger als seltene Spezie in den Chefredaktionen angesehen werden. Das setzt allerdings einen gesamtgesellschaftlichen Wandel voraus. Bisher hat die Perspektive der Frauen nicht genügend Raum und Wertschätzung erhalten. Das ist für die JournalistInnen-Initiative ProQuote nicht länger akzeptabel.


Nora Jakob, 26, ist freie Journalistin und arbeitet unter anderem für WirtschaftsWoche Online. Ihre Schwerpunkte sind die deutsche Innenpolitik, China und Wirtschaft. Sie studierte in Jena und Köln Politik- und Religionswissenschaft sowie Medienmanagement. Seit Ende Juni ist sie im Vorstand von ProQuote und dort unter anderem für Social Media und die Webseite zuständig.
www.nora-jakob.de

Querverweis: Mit dem Begriff Frauen* beziehen wir uns auf alle Personen, die sich als Frauen identifizieren oder von der Gesellschaft als Frauen gelesen werden, einschließlich Transfrauen, Intersexuellen, Nonbinary Personen und allen, die sich mit dem weiblichen Spektrum identifizieren, um die Vielfalt und Komplexität von Geschlechtsidentitäten anzuerkennen und einzuschließen.

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